von Carmen
Ob das da draußen die Freiheit bedeutet? Dieses endlose Blau, wohin das Auge blickt. Er spürte diesen Drang in sich, sich einfach fallen zu lassen, diese Freiheit zu spüren, den Wind, die Kälte, die Einsamkeit. Nichts und niemanden, soweit das Auge reicht. Genau so stellte er sich wahre Freiheit vor.
Gedankenverloren blickte er zum kleinen, ovalen Bullauge hinaus, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Neben ihm saß eine junge Frau, ungefähr in seinem Alter und blickte ihn fragend an.
„Was?“ Unwillig löste er seinen Blick vom Fenster.
Sie deutete lächelnd auf die Ohren und ihm fiel auf, dass er immer noch seine Ohrstöpsel trug, obwohl schon längst keine Musik mehr lief. Er zog den linken aus dem Ohr:
„Ja?“
„Ob. Du. Auch. Zur. Oldtimermesse. Unterwegs. Bist?“, fragte sie, dabei jedes Wort einzeln betonend, um sich gegen den Motorenlärm durchzusetzen.
Er schaute sie verwirrt an.
„Ich heiße übrigens Marie.“ Strahlend hielt sie ihm ihre rechte Hand entgegen, was aufgrund der engen Sitzreihe eine doch umständliche Bewegung war. Dabei streifte ihre Hand wie zufällig seinen Oberschenkel.
„Alex“, brummte er. Kurz ergriff er ihre Hand. Sehnsüchtig suchte sein Blick wieder das Fenster.
„Und?“
Alex wandte sich wieder Marie zu: „Wie bitte?“
„Die Oldtimer-Messe in Cork. Ob du auch dahin fliegst. Vielleicht hast du Lust, zusammen hinzugehen?“ Langsam strich sich Marie eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr, während sie Alex nicht aus den Augen ließ.
Alex rutschte auf seinem Sitz hin und her und versuchte, etwas mehr Distanz zwischen sich und seine Sitznachbarin zu bringen.
„Äh…nein, ich kenne keine Oldtimer…Dingens.“
„Messe“, korrigierte sie, „ich könnte sie dir zeigen. Morgen hätte ich Zeit.“ Sie schaute ihn immer noch unverwandt an.
Alex gab den Versuch auf, sich in dieser Enge von ihr wegzubewegen. Am Rücken spürte er die Wand mit dem Bullauge, während sein linkes Knie jetzt irgendwie gegen Maries Knie berührte.
„Morgen hab‘ ich was vor.“ Alex zog sein Bein weiter Richtung Wand.
„Macht nichts, die Messe ist sowieso die ganze Woche und mittwochs ist eh der BESTE Tag. Die ALLER-besten Shows, Feuerwerk, sogar ein Rennen der neuesten Elektro-Autos. Glaub mir, ich bin jedes Jahr da. Das wird super, ich zeige dir dann auch diesen einen Stand mit diesem GENIALEN indischen Curry. Das musst du einfach probieren. Das Lamm zergeht dir auf der Zunge.“ Dabei fuhr sich Marie wie in Zeitlupe mit der Zunge über ihre Oberlippe.
So langsam ging Marie Alex auf die Nerven. Er wollte seine Ruhe, mit niemandem reden, einfach nur seinen Gedanken nachgehen. Zudem meldete sich nun auch noch seine Blase. So unangenehm ihm diese engen Klos in Flugzeugen auch waren, diesmal war er seiner schwachen Blase richtig dankbar. Er brauchte eine Pause.
Alex befreite sich vom Sitzgurt. „Ähm, könntest du mich kurz…“
„Du magst doch Curry, oder? Was meinst du, wollen wir morgen telefonieren oder willst du gleich einen Treffpunkt ausmachen?“
Langsam wurde der Druck seiner Blase erbarmungslos.
„Ich müsste jetzt wirklich…“
Ach, gib mir einfach deine Nummer, ja? Das ist am Einfachsten. Ich ruf‘ dich kurz an, wenn wir gelandet sind, dann hast du auch gleich meine Nummer.“ Marie hielt ihm ihr Handy hin, damit Alex seine Nummer einspeichern konnte.
„SCHEIßE NOCHMAL! ICH HABE KEINEN BOCK AUF DEINEN BESCHEUERTEN OLDTIMER-SCHEIß ODER ÜBERHAUPT AUF DICH! KANNST DU NICHT EINFACH FÜR 5 MINUTEN DIE KLAPPE HALTEN??? WENN DU NUR NOCH EIN WORT SAGST, VERGESS ICH MICH!“
Damit ergriff Alex Maries Handy, pfefferte es gegen die gegenüberliegende Bordwand, was ihm einiges an Protest der anderen Fluggäste einbrachte, stieg mit einem Fuß auf seinen Sitz, um dann mit dem anderen über Marie drüber zu steigen.
„UND ICH WILL EINEN NEUEN SITZPLATZ!“, schrie er dem Flight Attendant entgegen, der sich erkundigen wollte, woher der Aufruhr stammte.
Damit stampfte Alex Richtung Klo davon.
“ Explosion über den Wolken“ Wo er recht hat, hat er recht. es freut mich, dass er sich getraut hat
Hahahaha, fand ich super unterhaltsam! Dankeschön 🙂
Das freut mich. 🙂