Vom Rentier zertrampelt
Tragikfaktor 1/5
Ihr braucht: Eine leichtsinnig bis dumme Figur und ein Wildgehege.
„Hör zu, es gibt keinen Rudolf! Es gibt keine Rentiere, die irgendeinen Schlitten von irgendeinem Weihnachtsmann ziehen. Es gibt auch keinen Weihnachtsmann. Aber ganz ganz sicher, gibt es kein Rentier mit einer roten leuchtenden Nase! Das erzählen sie euch Kindern nur, damit… ehrlich gesagt, keine Ahnung warum! Damit ihr brav seid? Damit ihr dem Weihnachtsmann eure Wünsche schreibt und eure bescheuerten Eltern nicht selbst nachdenken müssen? Ach, keine Ahnung. Was ist? Heulst du jetzt etwa?“
Nein, tat ich nicht. Ich würde niemals vor Onkel Rudi heulen. Eher würde ich mir drei Finger abbeißen oder vom Zehn-Meter-Brett springen, obwohl ich Höhenangst hatte. Sogar ein Besuch beim Zahnarzt wäre weniger traumatisch als vor meinem Onkel zu weinen. Er war ein grausamer Mann. Ein trauriger, unglücklicher und grausamer Mann. Ich hatte keine Ahnung, was genau das bedeutete, aber Tante Nelli bekam immer diesen flüsternden Tonfall, wenn sie diese Worte sagte. Und sie schüttelte dann den Kopf und tätschelte mir übers Haar und gab mir ein Stück Schokolade. Aber nicht, wenn ich weinte. Dann umarmte sie mich und zog mich an ihr nach Schweiß und Kölnisch Wasser müffelndes Kleid, minutenlang. Deswegen nicht weinen.
„Und das da“, Rudi deutete auf das Gehege vor uns. „Ist einfach nur ein stinknormales, stinklangweiliges Rentier, das weder eine rote Nase hat, noch sprechen kann, noch irgendeinen Schlitten zieht. Das Tier macht absolut gar nichts! Soll ich es dir zeigen?“
Er zog sich an Maschendrahtzahn nach oben und hievte sich auf die andere Seite. Es sah nicht besonders elegant aus. Auch nicht, als er auf das Tier zu stolperte, das ihn um fast zwei Köpfe überragte. Es war ein Weibchen und es hatte ein Junges.
Der Rest ist Geschichte.
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