Erschlagen von einer Kutsche
Tragikfaktor 4/5
Ihr braucht: Historisches Setting, Transport von etwas/jemandem, Kameradschaft unter den Beteiligten
Alles beginnt mit Schüssen schlecht vorbereiteter Banditen. Die Pferde brechen aus und die Kutsche des Herzogs verliert die Balance auf der holprigen Straße. Der Lärm ist ohrenbetäubend, Gebrüll und Wiehern und Holz, das bricht und zerbrochen wird. Das hölzerne Ungetüm hat einen ihrer Bewacher unter sich begraben samt seinem Pferd. Da ist Blut und sind Gliedmaßen, seltsam verteilt. Matthieu erkennt die Stiefel. Er kennt sie.
„Wir müssen die Kutsche anheben“, brüllt jemand und Matthieu braucht einige Sekunden, um zu begreifen, dass er geschrien hat. Niemand nimmt von ihm Notiz, doch dann gellt ein Schuss und für einen Moment wird es still.
Schließlich gehen die Rufe weiter, das Wiehern nicht.
„Wir fassen hier an, Bertrand übernimmt da drüben. Jean? Jean!“
Der Angesprochene rührt sich nicht, bleibt einfach stehen. Sein Blick ist ins Leere gerichtet.
„Jean!“, versucht Matthieu es erneut, doch nichts passiert und sie können nicht warten.
Sie versuchen die Kutsche anzuheben, es ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Matthieus Hände sind nach kurzer Zeit blutig, seine Arme zittern, doch Aufgeben kommt nicht in Frage und irgendwann bewegt sich der hölzerne Koloss. Es ist zu spät.
Sie sind zu spät. Sie können ihn nicht mehr retten. Nur noch den leblosen Körper in ein Tuch hüllen, alle Teile davon.
Nein, kein Körper, berichtigt er sich, ein Mensch, ein Kamerad, ein Bruder… er kann den Namen nicht denken, wagt nicht, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, als er das Tuch über das zerschlagene Gesicht legt. Als er aufsieht hat Jean sich keinen Millimeter vom Fleck gerührt, doch sein Blick ist jetzt auf ihn gerichtet und Matthieu ist sich nicht sicher, was er darin lesen kann. Oder lesen will.
„Warum hast du nichts getan?“, will er wissen. „WARUM HAST DU NICHTS GETAN?“
Er erhält keine Antwort. Erst Wochen später, als er die Frage zum wiederholten, hundertsten Mal stellt.
„Sein Arm war abgetrennt, doch da war viel zu wenig Blut. Er war zu still. Er hätte schreien müssen, doch er war still. Er war schon tot, bevor er den Arm verloren hatte.“
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