Von saurem Regen aufgelöst
Tragikfaktor 3/5
Ihr braucht: mystische Elemente, Figur mit großem Schuldkomplex
„Seele.“
„Seele.“
„Seele.“
Das Mantra hallte beruhigend in seinem Kopf. Seine Schritte passten sich dem Rhythmus an. Jedes Wort ein Schritt. Immer wieder und im Gleichschritt mit all den anderen Gestalten um ihn herum. Den Gesichtslosen, die der giftige Regen mehr und mehr auflöste. Er konnte sehen, wie die Gestalt vor ihm beide Arme verlor, sie lösten sich auf, einfach so. Doch dann verschmolz der verbliebene Körper mit einem anderen schwarzen Schatten und alles passte irgendwie wieder zusammen. Es war nicht schlimm, sich zu verlieren, solange man sich noch ein bisschen an dem festhalten konnte, was man wohl Erinnerung nannte. Das tief in einem drin.
„Seele.“
„Seele.“
Am Anfang hatte der Regen geschmerzt. Jeder Tropfen hatte sich in seine Haut gebrannt, durch die Kleidung hindurch. Sie hinterließen blutige Striemen, wenn sie auf der Haut entlang nach unten liefen. Doch irgendwann hatte er sie kaum noch gespürt. Ein wenig wunderte ihn das. Sein Shirt hing nur noch in Fetzen von seinem Körper und die Säure fraß sich tiefer und tiefer in sein Fleisch. Aber da war kein Schmerz, wenn er seine Hände betrachtete, die Finger, wo der Regen mittlerweile die Knochen freigelegt hatte.
„Seele.“
Und mit jedem Stück seiner fleischlichen Hülle, verschwand ein Teil von dem, was tief darunter lag. Das mit der Erinnerung, Seele. Es war nicht schlimm, denn das meiste davon wollte er nicht mehr sehen. Doch allmählich wurde es schwer sich an den Resten festzuhalten. Und jetzt bekam er doch Angst, denn wie sollte er sich aufrecht halten, wie sollte er weitergehen, wenn da nichts mehr war? Nichts mehr von ihm. Von der Person, die diesen Gang begonnen hatte, damals als sie noch einen Namen hatte. Wie war sein Name gewesen?
„Folge dem Kreis.“ Als er hier ankam, war er erschrocken gewesen, er hatte den Kreis verlassen wollen. Doch dann hatten ihn die anderen Schatten in ihre Mitte gedrängt, hatte das Mantra in seinen Ohren gedröhnt und er hatte seinen Platz erkannt. Alle hier hatten etwas getan, das gleiche wie er. Sein Kopf suchte nach dem Wort und sein Mund sprach es aus.
„Mörder.“ Es war das, was ihn noch aufrecht hielt, das, was auch der Regen nicht abwaschen konnte. Nicht von seinen Knochen, nicht aus seinem Inneren. Mörder.
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