Geschichten. Überall und Jederzeit

Schlagwort: Wut

Trennungsschmerz

Photo by Annie Spratt on Unsplash
von Jana, Lesezeit ca. 3 Minuten

Sonne, Mond, Sterne, der Urknall, Gasriesen, schwarze Löcher, ein großer Knall. Sirenengeheul, Sturmböen, Platzregen, Donnergrollen, ich am Fenster, der Regen prasselt auf die Straße unter mir, als wolle er sie fortspülen. Der nasse Schleier, nur einen Meter von mir entfernt, kühlt mein Gesicht. Tränen, ich will nicht weinen. Nicht für dich. Keine Träne. Ich will dich nicht hassen. Nicht, wenn es so weh tut, das zu tun. Vergessen will ich. Dich und die Zeit mit dir. Retrograde Amnesie. Heißt es so? Einfach ein Stück aus dem Leben ausschneiden, in ein schwarzes Loch werfen, ein Wurmloch, irgendwann, irgendwo taucht es wieder auf, vielleicht kann es jemand gebrauchen. Denn es war ja nicht alles schlecht, ist es doch nie. Aber schlecht genug. Schlecht genug für eine Trennung, einen Streit, ein pathetisches vorhersehbares zerbrochenes Glas und noch pathetischere Tränen im Angesicht eines Wolkenbruchs. Gott, waren wir gewöhnlich. Das Dummchen und der Held, deine Socken auf dem Boden, meine – ja, was? Wo war ich in dieser beschissenen Zeit? Ich kann mich nicht erinnern. Die Amnesie wirkt bereits. Ich schreie, beschimpfe unsichtbare Gestalten vor dem Fenster. Keiner hört mich, die Feuerwehr fährt mit Sirenengeheul vorbei. Nicht mal das. Der Regen hat aufgehört. Am Horizont ein Regenbogen. Ich zerbreche noch ein paar Gläser, ein Geschenk deiner Mutter, dann gehe ich ins Bett.

Aufwärm-Schreibübung zum Stichwort „Lärm“

Meeresbrüllen

von Jana, Lesezeit ca. 5 Min.

Ich hatte die Füße im Sand, die Zehen gruben sich fest. Immer wieder erwischte mich eiskaltes Wasser, das um meine Knöchel schwappte. Vor mir das Meer: Grau und wütend war es heute, weiße Gischt spritzte. Das Kreischen der Möwen ging im Pfeifen des Windes beinahe unter. Nur wenige Spaziergänger hatte sich an den Strand gewagt, aber der obligatorische T-Shirt-Träger, der darauf bestand, dass Ende September Urlaubszeit und damit schönes Wetter wäre, war dabei. Ich schloss die Arme enger um den Körper, um mich vor den kalten Böen zu schützen.

„Und du willst wirklich nicht mit? Du kannst es dir noch überlegen!“

Meine Mutter stellte die Frage zum fünften Mal und ich spürte das heiße Gefühl im Magen, die Wut, stürmisch wie die Wellen vor mir. Das Meer – so groß, so eigensinnig, unabhängig. Wie gerne hätte ich mit ihm getauscht.

„Nein, wirklich nicht“, ich versuchte, freundlich zu sein, ruhig, gelassen. Ich wollte nicht laut werden, denn wenn wir stritten, taten wir es üblicherweise in eine Richtung. Sie schwieg wie eine Mauer und ich warf meine Wut dagegen. Doch im Gegensatz zu Wasser, das sich irgendwann selbst durch Stein graben kann, richtete mein Geschrei absolut nichts an.

„Aber du liebst Bootsfahrten! Morgen soll das Wetter auch besser werden.“

„Ich will trotzdem nicht.“

„Und was willst du dann machen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Spazieren gehen.“

Meine Mutter seufzte und sie schenkte mir diesen Blick. Diesen ´Ich weiß genau, was in dir vorgeht, aber ich liebe dich so sehr, dass ich dich nicht drängen will.`-Blick. Ich hasste ihn.

„Überleg es dir doch nochmal. Es ist bestimmt unser letzter Urlaub zu dritt, nicht wahr?“

Ich spürte mich nachgeben, nur damit ich meine Ruhe haben würde. Ich versuchte, wenigstens einen Teil meiner Würde zu retten. Ich ließ sie stehen und ging weiter. Der Wind brauste über mir, riss an meinen Haaren. Die Wellen schlugen in einem dumpfen Rhythmus an den Strand und in meinem Kopf liefen die Zeilen eines Liedes dazu auf und ab.

„Schwere See, schwere See, mein Herz.“


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