
Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman-) Schreibens
von Jana, Lesezeit < 10 Minuten
Kapitel 5 – Was komisch klingt, kann weg.
Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig). Eleonore war zwischenzeitlich noch drei weitere Male verheiratet.
„Draußen blendet mich die Sonne, doch die Wärme tut mir gut. Ich atme tief ein, um den Schwindel zu vertreiben. Mein Magen knurrt und ich muss mich der Tatsache stellen, dass ich etwas essen sollte. Dann müsste ich Dr. Jacobi auch nicht allzu sehr bezüglich meiner Essgewohnheiten anlügen.
In einem Café auf dem Weg hole ich mir ein belegtes Brötchen, einen Kakao und noch eine Flasche Wasser. Ich esse und trinke im Gehen, denn ich möchte vermeiden, mich zu setzen und nachzudenken. In den letzten zwei Tagen hatte ich einen Nervenzusammenbruch, habe meine tote Geliebte gesehen und geträumt, ich könne an einem Ort im Zeitstrom die Vergangenheit ändern. Ich bin kein Experte, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es mir gut geht.“
A: Also ich hasse diesen Absatz. Beide Absätze, um genau zu sein.
E: Das finde ich beruhigend. Sie sind auch furchtbar.
A: Herzlichen Dank auch.
E: Ich bin nur ehrlich!
D: Ja, El, das bist du, aber ich glaube, die Autorin meint, sie hätte gerne einen konstruktiven Beitrag.
E: Bitte, tue dir keinen Zwang an!
D: Ich finde, beide Absätze wirken völlig verkrampft. Aber ich finde auch, dass das an dieser Stelle gar nicht unglaubwürdig ist. Jule steht gerade völlig unter Spannung, kann sich aber nicht damit auseinandersetzen, weil sie zu Jacobi muss. Dem soll sie eigentlich alles anvertrauen, kann es aber selbst noch gar nicht in Worte fassen. Sie würde gerne innehalten, muss aber weiterlaufen und unter diesem Aspekt passen die beiden Absätze vermutlich sogar ziemlich gut zu ihrem Innenleben.
E: Wow, ich bin beeindruckt. Das klingt sogar logisch. Trotzdem sind sie furchtbar!
A: Ja, finde ich auch.
D: Vielleicht kann man ihr chaotisches Innenleben einfach anders darstellen? Man könnte es auf die Spitze treiben, dann wird dem Lesenden klarer, dass es gerade nicht um Information, sondern um Zustand geht.
A: Das ist ein guter Aspekt! Denn dass sie Hunger hat, ist ja wirklich nicht die Info des Jahrhunderts.
E: Auch den Termin könnte man weglassen.
D: Du könntest tatsächlich beide Absätze auch ganz streichen. Dann bedankt sie sich bei der Empfangsdame und sitzt im nächsten Moment bei Jacobi. Das hast du ja schon angekündigt, den Übergang braucht es also gar nicht.
A: Das ist vermutlich die beste Idee. Alles, was komisch klingt, kann auch weg. Immer noch der beste Ratschlag, den ich je bekommen habe.
D: Von wem eigentlich? Waren wir das?
A: Nein, hat mal meine Chefin zu mir gesagt. Passt aber für Büro-Schreiben so gut wie für alles andere.
E: Schade, ich hätte einen modernen Gedankenstrom-Ansatz auch interessant gefunden. Draußen… die Sonne, Wärme im Gesicht, im Bauch, vom Kakao, schnell noch etwas essen, um die Lüge zu vermeiden. Etc. pp.
A: Klingt irgendwie… nach einem Gedicht.
D: Was du ja gar nicht schreibst.
E: Natürlich nicht! Es war auch kein ernsthafter Vorschlag.
A: Also streichen?
E/D: Streichen!
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