Geschichten. Überall und Jederzeit

Schlagwort: Roman

Zerknülltes Papier
Photo by Richard Dykes on Unsplash

Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman-) Schreibens

von Jana, Lesezeit < 10 Minuten

Kapitel 5 – Was komisch klingt, kann weg.

Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig). Eleonore war zwischenzeitlich noch drei weitere Male verheiratet.

„Draußen blendet mich die Sonne, doch die Wärme tut mir gut. Ich atme tief ein, um den Schwindel zu vertreiben. Mein Magen knurrt und ich muss mich der Tatsache stellen, dass ich etwas essen sollte. Dann müsste ich Dr. Jacobi auch nicht allzu sehr bezüglich meiner Essgewohnheiten anlügen.
In einem Café auf dem Weg hole ich mir ein belegtes Brötchen, einen Kakao und noch eine Flasche Wasser. Ich esse und trinke im Gehen, denn ich möchte vermeiden, mich zu setzen und nachzudenken. In den letzten zwei Tagen hatte ich einen Nervenzusammenbruch, habe meine tote Geliebte gesehen und geträumt, ich könne an einem Ort im Zeitstrom die Vergangenheit ändern. Ich bin kein Experte, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es mir gut geht.“

A: Also ich hasse diesen Absatz. Beide Absätze, um genau zu sein.
E: Das finde ich beruhigend. Sie sind auch furchtbar.
A: Herzlichen Dank auch.
E: Ich bin nur ehrlich!
D: Ja, El, das bist du, aber ich glaube, die Autorin meint, sie hätte gerne einen konstruktiven Beitrag.
E: Bitte, tue dir keinen Zwang an!
D: Ich finde, beide Absätze wirken völlig verkrampft. Aber ich finde auch, dass das an dieser Stelle gar nicht unglaubwürdig ist. Jule steht gerade völlig unter Spannung, kann sich aber nicht damit auseinandersetzen, weil sie zu Jacobi muss. Dem soll sie eigentlich alles anvertrauen, kann es aber selbst noch gar nicht in Worte fassen. Sie würde gerne innehalten, muss aber weiterlaufen und unter diesem Aspekt passen die beiden Absätze vermutlich sogar ziemlich gut zu ihrem Innenleben.
E: Wow, ich bin beeindruckt. Das klingt sogar logisch. Trotzdem sind sie furchtbar!
A: Ja, finde ich auch.
D: Vielleicht kann man ihr chaotisches Innenleben einfach anders darstellen? Man könnte es auf die Spitze treiben, dann wird dem Lesenden klarer, dass es gerade nicht um Information, sondern um Zustand geht.
A: Das ist ein guter Aspekt! Denn dass sie Hunger hat, ist ja wirklich nicht die Info des Jahrhunderts.
E: Auch den Termin könnte man weglassen.
D: Du könntest tatsächlich beide Absätze auch ganz streichen. Dann bedankt sie sich bei der Empfangsdame und sitzt im nächsten Moment bei Jacobi. Das hast du ja schon angekündigt, den Übergang braucht es also gar nicht.
A: Das ist vermutlich die beste Idee. Alles, was komisch klingt, kann auch weg. Immer noch der beste Ratschlag, den ich je bekommen habe.
D: Von wem eigentlich? Waren wir das?
A: Nein, hat mal meine Chefin zu mir gesagt. Passt aber für Büro-Schreiben so gut wie für alles andere.
E: Schade, ich hätte einen modernen Gedankenstrom-Ansatz auch interessant gefunden. Draußen… die Sonne, Wärme im Gesicht, im Bauch, vom Kakao, schnell noch etwas essen, um die Lüge zu vermeiden. Etc. pp.
A: Klingt irgendwie… nach einem Gedicht.
D: Was du ja gar nicht schreibst.
E: Natürlich nicht! Es war auch kein ernsthafter Vorschlag.
A: Also streichen?
E/D: Streichen!

 

Zerknülltes Papier
Photo by Richard Dykes on Unsplash

Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman)-Schreibens

von Jana, Lesezeit < 10 Minuten

Kapitel 4 – Alle gegen die Hauptfigur

Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig). Eleonore war zwischenzeitlich noch drei weitere Male verheiratet.

A pfeift fröhlich vor sich hin.
E: Ich finde eigentlich nicht, dass du Anlass zu guter Laune hast. Die Szene ist grässlich!
A: Warum du das sagst, weiß ich. Immerhin schmeißt dich Jules Therapeut raus. Aber erstens kommt die Szene sowieso nicht in den Roman, weil sie Backstory ist und zweitens: Ich liebe sie! Jule hat endlich einen Mentor. Einen ECHTEN Mentor.
E: Ich bin ihre Mutter! Wenn jemand ein Mentor sein könnte, dann ja wohl ich.
A: Nee, ich glaube nicht. Du hast nicht Jule im Blick.
E: Bitte?!
A: In eurer Konstellation gibt es nur die Rollen Mutter und Tochter, aber Jule ist mehr als das. Und gerade für den Roman muss sie sich aus der Rolle Tochter lösen und sie selbst werden. Und sie dabei zu unterstützen, darin bist du ehrlich gesagt… ähm… na ja.
E: Sag mal, spinnst du?! Ich bin eine erfolgreiche selbstständige Unternehmerin. Ich war die letzten Monate pausenlos für Jule da! Und ich…
D: Entschuldigung, wenn ich auch mal was dazu sagen darf. Ich finde, Eleonore hat Recht. Also, ja, vielleicht ist ihr Blick etwas beschränkt, aber sollten Eltern nicht die perfekten Mentoren sein?
A: Ernsthaft? Ausgerechnet du?
D: Wieso? Was ist falsch mit mir?!
E: Willst du es chronologisch oder nach Sachthemen sortiert? Ich gebe ihr völlig recht, du bist ein beschissener Mentor!
D: Hey, ich bin der EINZIGE, der sie mir ihren Kräften vertraut machen kann.
E: Das ist auch der EINZIGE Grund, warum du überhaupt mitspielst.
A (flüstert E zu): Außerdem ist er an allem schuld.
E: Oh richtig, ich vergaß: Du bist an allem schuld.
D: Das ist unfair! Ich wollte dir gerade beistehen.
A: Es war doch deine Idee, mir Dr. Jacobi genauer anzuschauen.
D: Ja schon, aber ihn gleich zum Mentor zu befördern!
A: Eigentlich ist es mir völlig egal, was ihr dazu sagt. Ich habe endlich eine Figur, die Jule um ihrer selbst willen unterstützt. Keine Kräfte, keine falsch platzierten Gefühle, keine Machtspielchen, keine Weltzerstörungspläne! Es soll ihr einfach nur gut gehen!
E: Dir ist klar, dass er sterben muss?
A: WAS??
E: Oder wenigstens aus der Gleichung genommen werden muss. Schätzchen, du schreibst einen Roman, da geht es um Konflikte! Niemand will lesen, dass es der Hauptfigur gut geht.
D: Und wieder frage ich mich, wie du als ihre Mutter…
E: Hey, ich spiele eben die Rolle, die man mir zugedacht hat, und ich spiele sie gut. Glaub nur nicht, dass du besser wegkommst. Du belügst sie die ganze Zeit und außerdem bist du…
D: …an allem schuld. Ich habe es kapiert.
A: Ich will nicht, dass Jacobi stirbt. Ich will, dass irgendetwas in Jules Leben funktioniert!
E/D: …
A: Kapitel 6 ist wohl eindeutig zu früh dafür.
E/D: …
A: Deswegen lügt sie ihn auch an und kann ihm nicht vertrauen. Jetzt macht das Sinn.
E/D: …
A: Ich hasse diese Kolumne. Warum genau mache ich das?
E/D: …

1
Zerknülltes Papier
Photo by Richard Dykes on Unsplash

Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman)-Schreibens

von Jana, Lesezeit < 10 Minuten

Kapitel 3: Schreibblockade

Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig). Eleonore war zwischenzeitlich noch drei weitere Male verheiratet.

E: *Hust*, ist das staubig hier!
D (zieht sich eine Spinnwebe aus den Haaren): Scheint lange keiner mehr hier gewesen zu sein.
A (jault laut auf): Jaaaa, das weiß ich selbst! Okay! Ich versuche es. Ich versuche es wirklich! ABER MIR FÄLLT GERADE NICHTS EIN! ES IST FURCHTBAR, OKAY????
E: Alles gut, Schätzchen. Kein Grund, uns ertauben zu lassen.
D: Und ich dachte, es gäbe einen Plot?
A: Der nützt mir nichts. Ich… ich hasse ihn, okay! Die Linie ist klar, aber trotzdem gibt es so viele Möglichkeiten. Jule könnte den Albtraum jetzt haben oder später. Die nächste Figur könnte jetzt auftauchen oder später. Dann das Archiv: Mache ich das jetzt oder geht sie als Nächstes einfach nach Hause und heult, weil sie feststellt, dass sie unfähig ist, einen längeren Text als eine beschissene zweiseitige Kurzgeschichte zu schr…
E: Entschuldige, aber ich glaube, wir sind nicht mehr so ganz beim Thema.
D: Du musst dich ein bisschen entspannen. Hast du nicht, also ich weiß nicht, so eine Art Bauchgefühl?
A: Ja. Habe ich. Normalerweise. Aber es ist weg. Weg. Finito. Ich sitze da. Ich starre den Bildschirm an. Und ich hasse. Mein. Roman. Projekt.
E: Nein, das tust du nicht. Du hast nur eine kleine Durststrecke. Sowas passiert!
A: Aber es ist nicht nur der Roman. Es ist alles. Schreiben macht mir keinen Spaß mehr. Egal, was ich schreiben will. Nichts geht mehr. Ich habe meine Passion verloren. Mein Leben ist vorbei.
D: Bestimmt nicht. Ich sehe das wie Eleonore, du brauchst einfach mal eine Pause und dann kommt die Lust von ganz allein wieder. Schreiben ist doch, was dich ausmacht. Das merke ich dir an. Und El geht es genau so, nicht wahr?
E: Absolut! Schätzchen, wo wären wir denn ohne dich?
A: Meint ihr wirklich?
E: Klar doch! Wie wäre es, wenn du erstmal deinen Anfang überarbeitest, wenn weiterschreiben gerade hakt?
A: Du meinst, das berühmte Kapitel 2?
E (seufzt): Wenn es dir hilft, sogar das.
A: Aber was, wenn ich den Anfang lese und ihn furchtbar finde?
D: Was, wenn du ihn großartig findest?
E: Wir könnten uns bei passabel treffen. Das wäre wenigstens realistisch.
D (murmelt leise): Die Optimistin in Person.
E: Das war nicht leise genug. (Tritt ihm auf den Fuß.)
D: Autsch!
E: Du könntest auch eine Szene schreiben, die gar nicht im Roman vorkommt, aber dich irgendwie beflügelt.
A: Und die wäre?
E: Ähm…
D: Also ich hätte da eine Idee! Soweit ich weiß, hängst du doch gerade an der Therapiesitzung?
A: Ja, genau.
D: Weißt du eigentlich, wie Jules erste Sitzung ablief?
A: Nicht wirklich. Ich habe vage Andeutungen im Kopf.
D: Schreib die! Denn zufällig weiß ich, dass El…
E: Untersteh dich! Woher weißt du überhaupt davon? Du warst nicht dabei! Wenn ich mich recht erinnere, warst du nicht mal in der Stadt! Überhaupt spielst du im Roman noch gar nicht mit – (blickt zu A): Wieso ist er überhaupt schon entwickelt?!
A: Ähm, weil… weil…
D: …sie mich für Hintergrundinfos brauchte…
A: …die am Ende alle gelogen waren.
D: Wir haben schon wieder den Faden verloren. Es ging um Schreibblockaden.
E: Also ich finde, wir sind genau richtig!

Fortsetzung folgt. Vielleicht 😉

Zerknülltes Papier
Photo by Richard Dykes on Unsplash

Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman)-Schreibens

von Jana, Lesezeit < 10 Minuten

Kapitel 2: Spannungsbogen

Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig).

A: Kapitel 2, Überarbeitung Nr. 57, zumindest gefühlt.
E: Oh, bitte, lass es!
A: Wie bitte, wieso?
E: Weil es nicht besser werden wird. Es sei denn, du hast endlich gemerkt, woran es liegt.
D: Woran was liegt?
E: Unsere Klappertastenfrau überarbeitet zum wiederholten Mal Kapitel 2, was gut ist, denn es funktioniert nicht – was sie auch merkt, aber sie merkt nicht, WARUM es nicht funktioniert.
A: Und du weißt das natürlich?!
E: Ja, ich spiele nämlich das ganze Kapitel lang mit und es ist LANGWEILIG.
D: Ich dachte, in Kapitel 2 tötest du mit Sandy fünf Flaschen Champagner? Klingt für mich nicht sehr langweilig… oder hast du verlernt, zu feiern?
E: Sehr witzig! Nein, das bekommen wir sehr gut hin. Allerdings passiert das 1. Im Hintergrund und ist 2. Eine Party eine statische Sache, wenn es 3. Um die Figur geht, die gar nicht mit feiert, nämlich Jule!
D: Das erscheint mir tatsächlich logisch.
A: Ja, du hast Recht, verdammt…
E: Also, was hast du nun vor in Kapitel 2? Noch weitere wenig zielführende innere Monologe über das Verhältnis meiner Tochter zu mir?
A: Ähm… also… ich verweigere die Aussage.
E: Dachte ich mir doch: Lass es!
A: Ja, soweit war ich jetzt auch schon. Aber wie wäre es mit was Konstruktivem?
D: Genau, El, wenn du schon weißt, was nicht funktioniert, was würde denn funktionieren?
E: Für mich? Oh, ein attraktiver Pizzabote!
A/D: Nein!
D: Ging es nicht außerdem um Jule?
E: Für die wäre der auch nicht schlecht!
D: Meine Tochter datet keinen Pizzaboten!
E: Warum nicht? Hast du ein Problem mit Pizzab…?
A: Entschuldigung, können wir bitte zurück zum Thema?! Das Kapitel funktioniert nicht!
E: Das Kapitel ist eigentlich prima, der Spannungsbogen funktioniert nicht!
A: Okay…? Nein, ich kapier es nicht.
E: In Kapitel 1 steht Jule vor Herausforderungen, im zweiten kommt sie nach Hause und bricht zusammen. Entweder du machst das sehr kurz oder sie muss noch irgendetwas überwinden oder erreichen bevor sie zusammenbricht. Da muss noch irgendeine Stufe rein, etwas… keine Ahnung! Du bist doch die Autorin, denk dir was aus! Etwas beschäftigt sie im Kopf und als sie endlich die Lösung hat, fällt ihr auf, dass das jetzt der Triggerpunkt war und bumm!
D: Ich finde es irgendwie befremdlich, wie sachlich du über die Inszenierung des Nervenzusammenbruchs unserer Tochter reden kannst.
E: Oh, komm du mir nicht mit Vorwürfen! Du bist schließlich an allem schuld!
D: Moment mal, ich?!
E: Ja, du…
A: Verzeihung?! Stopp! Anderes Thema. Figurenentwicklung kommt noch.
E/D: …
A: Also, ich denke, ich weiß jetzt, was ich ändern muss. Danke!
E: Na, hoffentlich! Auf noch so eine zähe Überarbeitung habe ich nämlich keine Lust.
D: Vielleicht lässt sie dich ja doch in Kapitel 3 sterben, dann hast du bald deine Ruhe…
E: WTF!!!

Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman-) Schreibens

von Jana, Lesezeit < 10 Minuten

„There are three rules for writing a novel. Unfortunately, no one knows what they are.“ Dieses Zitat von W. Somerset Maugham ist zur Zeit irgendwie mein Leitstern, ich stecke nämlich mittendrin im Roman schreiben (ja, okay, am Anfang). Dabei musste ich feststellen, dass die ganze Theorie aus den unzähligen Schreibkursen und Workshops den Roman nicht alleine schreibt. Tatsächlich weiß ich meistens nicht genau, was ich da eigentlich tue. Zum Glück bekomme ich tatkräftige Unterstützung durch zwei meiner Romanfiguren – ohne die würde das ganze Projekt vermutlich völlig in die Hose gehen.

Kapitel 1: Der erste Satz

Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig). Eleonore war zwischenzeitlich noch drei weitere Male verheiratet.

Der erste Satz: „Der Raum ist dunkel und kalt.“

A: Also das ist jetzt natürlich nur der erste Entwurf. Mit irgendetwas muss man ja anfangen.
E: Wer ist „man“? Hoffentlich nicht du, denn ehrlich, Schätzchen, also wenn DAS der Anfang ist…
D: El, jetzt lass sie doch mal. Sie hat ja nicht Unrecht, mit irgendeinem Satz muss der Roman schließlich anfangen.
E: Ja, aber doch nicht mit diesem! „Der Raum ist dunkel und kalt.“ Der erste Satz soll idealerweise den ganzen Roman vorwegnehmen. Wer steht denn bitte auf 500 Seiten dunkel und kalt? Ich jedenfalls nicht!
A: Also den ganzen Roman vorwegnehmen…
D: Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das…
E: Natürlich geht das! Jorge Amado in „Tote See“: „Die Nacht kam zu früh.“ – Da weiß der Leser ganz genau, was ihn erwartet. Oder Sven Regener in „Wiener Straße“: „Die Tür fiel zu und es war zappenduster.“ – Brilliant, wenn ihr mich fragt.
A: Du liest gerne?
D: Du kennst Sven Regener?
E: Michel mochte ihn.
D: Welcher war das, der mit ohne Haare oder der Langweilige?
E: Als hättest du nicht auch Frauen nach mir gehabt!
A: Verzeihung, aber könnten wir zum Thema zurück?
E: Natürlich, aber was erwartest du, wenn du ausgerechnet UNS beide zur Diskussion bittest?
D: Eleonore, bitte, wir sind doch erwachsen.
A: Eben. Also wäre es wirklich gut, wenn ihr etwas dazu sagen könntet. Zum ersten Satz.
D: Richtig. Ich finde… also immerhin hast du angefangen, das ist ja schon mal… ein Anfang.
E: Wow, also DIESEN literarischen Erguss würde ich mir aufschreiben. Spätestens, wenn du mal deine Autobiografie schreibst, kommt der gut. Er beschreibt super, … ja, auch egal.
A: Was soll das heißen? Was beschreibt er super?
E: Na, der ERSTE Versuch einen Roman zu schreiben, ist das ja auch nicht.
D: Wenn du so weiter machst, wird der hier auch nichts. Wer möchte schon 500 Seiten mit DIR verbringen?
E: Ich bin eine Nebenfigur.
A: Ich könnte sie auch in Kapitel drei sterben lassen.
E: Untersteh dich!
A: Wir waren übrigens beim ersten Satz…
E: …
D: Ich glaube, den ersten Satz solltest du dir ganz am Ende überlegen. Wenn der letzte Satz geschrieben ist, ergibt er sich von selbst. Sollen die beiden nicht zusammenhängen, einen Bogen bilden, oder so*? Und im Moment weißt du doch noch nicht mal, wie es ausgehen soll.
E: Wie jetzt, im Ernst? Gibt es etwa keinen Plot?!
A: Doch, doch, natürlich. Also so weitgehend jedenfalls. Das ist nächste Woche Thema… glaube ich.
E: „Sie betrat den Raum und wusste nicht, wo sie war.“
D: Den finde ich gut… überraschender Weise.
A: Ja, der ist wirklich nicht schlecht. Er nimmt Jules Unsicherheit den Roman über ziemlich gut vorweg.
E: Nicht nur ihre! Eigentlich war der auch ironisch gemeint.
A: Achso. Na ja. Trotzdem danke. Denke ich.

*Anmerkung zu Damians Halbwissen: „Der erste Satz kann nicht geschrieben werden, bevor der letzte Satz geschrieben ist.“ – Joyce Carol Oates, amerikanische Schriftstellerin

 

© 2023 mittendrin

Theme von Anders NorénHoch ↑