von Jana, Lesezeit > 5 Min.
„Ja bitte?“
„Ja hallo? Ist da die Freiheit?“
„Mmh…“
„Ja, also wissen Sie, ich soll über Sie schreiben und da dachte ich…“
„Tun Sie`s nicht!“
„Äh… wie bitte?“
„Schreiben! Schreiben Sie nicht über mich!“
„Aber warum denn nicht?“
„Weil über mich schon so viel geschrieben wurde und die Hälfte davon ist Blödsinn und ich habe wirklich keine Lust mehr, diesen ganzen Quatsch immer zu lesen!“
„Ja, aber… na ja, deswegen rufe ich ja an, ich dachte, Sie könnten mir erzählen, wie Sie das so sehen. Also, was Sie für wichtig erachten. An sich selbst, meine ich.“
„Pah! Das haben die anderen auch immer behauptet. Und mich in den Himmel gelobt, wie wichtig ich doch sei für den Menschen und die Gesellschaft. Die Retterin der Unterdrückten, die Sprengerin der Ketten – lassen Sie mich in Ruhe! Probieren Sie es bei der Hoffnung – obwohl, die ist wahrscheinlich zu beschäftigt, der Hass neuerdings ja auch. Vielleicht hilft Ihnen der Glauben weiter. Der hat zwar auch viel zu tun, aber der debattiert zu gerne.“
„Nein, ich möchte Sie. Sehen Sie sich doch nur mal die Nachrichten an. Hongkong, Syrien, Mittelmeer – ich glaube, die Freiheit ist wichtiger denn je, verstehen Sie?“
„Die Freiheit von was?“
„Na, von Menschen. Dass Menschen in Freiheit leben können, reisen können, ihren Beruf frei wählen, ihr Denken, ihren Glauben.“
„Tja, aber wenn Mensch A seine Freiheit hat, behauptet B, dass seine dadurch eingeschränkt wird. Den Knoten können Sie nicht lösen.“
„Aber ist das denn so? Wie definieren Sie denn Freiheit?“
„Wie ich mich selbst definiere?“
„Ja, genau.“
„Ist das Ihr Ernst? Hören Sie, ich habe eine sehr genaue Vorstellung davon, was Freiheit ist und sein sollte, aber ich bezweifle sehr stark, dass Sie die hören wollen, Sie Sozialromantikerin! Freies Leben, freies Reisen und wahrscheinlich auch noch ein freies Bildungssystem, nein, ganz sicher nicht! Sie verklären mich zu irgendetwas, was die Welt retten soll, Frieden und Freiheit für alle, aber dabei vergessen Sie, dass die Menschen zwar alle laut nach mir schreien, wenn sie mich aber haben, absolut nichts mit mir anfangen können.
Die Freiheit zu leben wird ganz schnell die Freiheit zu herrschen, zu beherrschen und schon ist die Freiheit dahin. Freiheit kann sich nie über das Außen definieren. Wenn Sie Freiheit in Dingen oder Umständen suchen, dann suchen sie falsch – allerdings sind sie dabei immerhin nicht allein.“
„[…]“
„Sind Sie noch dran?“
„Ja, ich… Entschuldigung, was kam nochmal nach „zu tun und zu lassen“?“
„Mmhpf!“
„Wissen Sie, dieser Text ist wirklich wichtig für mich. Nicht nur wegen dem Kurs und so, sondern auch, na ja, Freiheit, das ist für mich mehr als eine Sehnsucht nach irgendetwas. Es ist dieses Gefühl, verstehen Sie? Dieses Gefühl, dass da noch mehr ist in dieser Welt. Dass all die Konventionen und Regeln, die mein Leben bestimmen, einfach nur ein Schleier sind über dem wahren Leben. Und wenn ich diesen Schleier zerreiße, dann.. ja, dann bin ich angekommen. Wissen Sie, ich dachte immer, das kommt, wenn ich mal erwachsen bin und mein Leben lebe. Aber jetzt bin ich erwachsen und..“
„Lassen Sie mich raten, Sie haben als junges Mädchen zu Westernhagens „Freiheit“ um den Plattenspieler getanzt?“
„Zu „Keine Macht für Niemand“ auch.“
Ein Seufzen. „Na gut, ausnahmsweise. Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis und Sie entscheiden selbst, ob Sie darüber schreiben oder nicht, in Ordnung?“
„In Ordnung!“
„Dieser Schleier, den Sie zerreißen wollen, der ist nicht vor Ihrer Nase, der ist in Ihnen drin. Sie könnten allen Konventionen entfliehen. Alle Regeln und Verpflichtungen hinter sich lassen. Sie könnten mit einem VW-Bus in die Wildnis fahren, und dort mit Eichhörnchen eine WG gründen, Sie würden diesen Schleier mitnehmen. Sie würden unfrei sein in dieser Freiheit. Freiheit finden Sie nur an einem Ort und das ist Ihr Kopf!“
„Mein Kopf?“
„Ihr Kopf! Und vielleicht noch ein bisschen in Ihrem Bauch und Ihrer Seele, je nachdem, wie ganzheitlich Sie diesen Mist betrachten wollen. Aber sie ist definitiv nicht da draußen und Sie finden sie definitiv nicht am Telefon.“
„Oh, aber… ich spreche doch mit Ihnen, oder?“
„Schätzchen, wenn ich die Freiheit wäre (und ich sage nicht, dass ich es nicht bin), dann hätte ich wohl die Freiheit, zu behaupten, dass ich bin, wer immer ich gerne sein möchte, nicht wahr?“
„Ähm…“
„Viel Glück mit Ihrem Text! Apropos, das Glück! Das sollten Sie unbedingt auch mal anrufen, hat sich aber schon wieder rar gemacht, so eine verdammt flüchtige Angelegenheit, na ja…“
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Eine Schreibübung zur Personifikation abstrakter Begriffe
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