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Ihr Lieben, heute ist Karfreitag und ich weiß, dass viele von Euch eigentlich über Ostern zu ihrer Familie gefahren wären (so wie ich) und es aufgrund der aktuellen Lage nicht können. Ich habe lange überlegt, welche Geschichte ich heute poste, denn ich fand, keine wird dem Anlass gerecht. Diese ist jetzt ein Kompromiss, ein Erfahrungsbericht aus vielen Jahren als Pendler und der Grund, warum ich Bahnhöfe gleichzeitig hasse und liebe.
Ich wünsche Euch trotz allem ein frohes Osterfest. Ruft Eure Lieben an, skypt mit ihnen und bleibt gesund!
Pendeln
„Ich will eine Liebesgeschichte schreiben!“, erwidere ich skeptisch, doch er zuckt nur mit den Schultern.
„Glaub mir, du findest nirgendwo eine bessere Inspiration dafür“, beharrt er. Und so folge ich ihm aus der überfüllten S-Bahn in den Hauptbahnhof. Im Schieben und Drängen zwischen verschwitzten Menschen und Hindernissen in Form von Koffern spüre ich nichts von der romantischen Stimmung, die ich mir für meine Liebesgeschichte erhofft hatte. Doch er nimmt mich an die Hand und zieht mich weiter bis wir schließlich in der Eingangshalle stehen. Es ist Freitagabend, er sagt, das wäre die beste Zeit und jetzt weiß ich, was er meint.
Die Passagiere, die aus den Zügen steigen, verrenken die Köpfe bis sich ein Strahlen in ihre Gesichter stiehlt. Sie beginnen zu laufen, nur sie selbst scheinen das Ziel zu kennen und dann fallen sich Menschen in die Arme. Küsse werden verteilt – flüchtige Freundschaftsküsse und innige Küsse von Liebenden. Ich beobachte komplizierte Handschlagsrituale von Freunden, verfolge kurze und lange Umarmungen, manche so fest, dass sie wehtun müssen. Und überall sehe ich Lächeln. Freude. Echte Freude.
„Das ist schön, so schön! Danke!“, sage ich und er nickt.
„Du musst aber auch am Sonntag herkommen“, murmelt er dann. Seine Miene ist plötzlich ernst.
„Warum?“
„Weil sie sich dann verabschieden.“
„Oh nein“, wehre ich ab, „das ist mir zu traurig!“
Er mustert mich mit einem seltsamen Blick.
„Aber es gehört zum Lieben dazu.“
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