von Jana, Lesezeit < 5 Minuten

Was bisher geschah…
Jo beginnt ihren neuen Job unter Müller, Ernst Müller, doch ihr Arbeitsalltag besteht im wesentlichen daraus, sich nicht in endlosen Gängen und Aktenstaub zu verlieren. Wäre da nicht ein seltsames Gerät, ein Fernkopierer, der ihr kryptische Botschaften schickt. Diese scheinen mit ihrem Vorgänger zu tun zu haben, der plötzlich und auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Kann Jo das Rätsel lösen? Ob ihr der Abteilungsleiter helfen kann? Und was hat Müller, Ernst Müller mit der Sache zu tun?

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„Oh, da ist ja unsere neue Kraft, jung und dynamisch wie ich sehe!“ Der Abteilungsleiter griff nach ihrer Hand und schüttelte sie so heftig, dass es wehtat. „Und hübsch, aber das darf ich heutzutage ja gar nicht mehr sagen, das haben Sie nicht gehört. Und Sie scheinen sich ja schon völlig in die Arbeit gestürzt zu haben, dass Sie nicht mal Zeit hatten, sich bei mir vorzustellen!“

Jo spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss und sie hätte sich gerne erklärt. Doch auch wenn der Mann jetzt ihre Hand losgelassen hatte, ließ er sie nicht zu Wort kommen. Er bot ihr auch keinen Platz an. Vielleicht würde der Termin nicht lange dauern.

„Aber ich finde das gut, wissen Sie?“, fuhr er fort und Jo nickte pflichtbewusst, auch wenn der Mann gar nicht hinsah, sondern in den Akten auf seinem Schreibtisch wühlte. „Diese ganzen Regularien, dieses Silo-Denken, der Tunnelblick – ich finde es gut, dass wir junge Leute haben, die das nicht mitmachen, sondern die Dinge neu angehen. Frischer Wind, wissen Sie? Das ist es, was wir brauchen, gerade in der Verwaltung. Finden Sie nicht auch?“

Jo nickte noch immer, während sie darüber nachsann, was er mit Silo-Denken meinen könnte.

„Ich muss sagen, ich bin von Ihrer Arbeit sehr angetan. Ich merke schon, dass Sie unserer Abteilung einen großen Mehrwert zukommen lassen und noch lassen werden. Das sehen Sie doch auch so, Herr Müller, nicht wahr?“

Jo schaute erwartungsvoll auf Müller, Ernst Müller denn tatsächlich hatte ihre bisherige Arbeit darin bestanden, mehr oder weniger erfolgreich aus den alten Akten in ihrem Büro schlau zu werden. Sie selbst hätte das keinesfalls als Mehrwert für irgendwen bezeichnet, doch Müller, Ernst Müller nickte nur.

„Ganz ohne Frage“, murmelte er und Jo hätte schwören können, dass es sarkastisch klang.

„Nun, jedenfalls, möchte ich Sie mit einer Sonderaufgabe betrauen.“ Der Abteilungsleiter zog endlich aus den Stapeln auf seinem Schreibtisch einen schmalen blauen Aktendeckel hervor und reichte ihn Jo.

„Oh… danke. Worum geht es?“

„Nun, ich denke, Sie werden aus dem Vorgang schon schlau werden. Ich freue mich wirklich, dass Sie hier sind und so ausgezeichnete Arbeit leisten.“

„Danke… ich… werde mich bemühen. Bis wann brauchen Sie denn Ergebnisse?“

Ihr Gegenüber runzelte kurz die Stirn und Müller, Ernst Müller räusperte sich und wandte sich zur Tür. Es schien das Signal zum Gehen. Der Abteilungsleiter streckte die Hand aus und schüttelte Jos wieder heftig.

„Sie werden das schon machen. Berichten Sie mir einfach zeitnah, ich glaube, Sie können sich damit wirklich profilieren!“

Dann war die Tür auch schon zu. Jo wandte sich hilfesuchend zu Müller, Ernst Müller, der wieder nur mit den Schultern zuckte.

„Denken Sie an die Zitronenfalter. Sie finden allein zurück?“ Damit ließ er sie stehen.

Als Jo etwa 40 Minuten später ihr Büro wiedergefunden hatte, griff sie als erstes nach ihrem Smartphone – ihr Telefon war noch immer nicht angeschlossen worden – und rief Anja an. Eine halbe Stunde später war sie sich wieder sicher, dass die Welt, in der sie gerade agierte, tatsächlich real war und der Abteilungsleiter vermutlich einfach nur ein Idiot.

„Das liegt nicht an deinem Job, Jo, die meisten Chefs beherrschen SABTA. Das gehört dazu.“

„Beherrschen was?“

„Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit.“

Sie überlegte, ihre Freundin auch nach den Zitronenfaltern zu fragen, aber gleichzeitig schien ihr das völlig absurd. Was sollten diese Tiere mit irgendetwas zu tun haben?

Nach dem Telefonat entschied sie, sich in Ruhe die Unterlagen in dem blauen Aktendeckel anzuschauen und bei Bedarf einfach einen der Kollegen auf ihrem Gang zu fragen. Irgendjemand hier wusste sicher, was zu tun war.

Sie war wieder guter Dinge, als sie die Akte aufschlug und auf die erste Seite blickte. Dort stand in jeder Zeile, von der ersten bis zur letzten, die Zahlenfolge, die sie mittlerweile auswendig kannte.

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