von Gastautorin Verena Zelger
Silke und Tom trafen sich zum ersten Mal in der Wohnheimbar. Der Raum war ganz in schwarz gehalten. Schwarze Räume waren damals ein Ausdruck jugendlicher Auflehnung gegen den Staat, die Eltern, gegen das Sein. Die 80er.
Wild und ungestüm fühlten sich Silke und Tom, als sie abstürzten. Als sie am selben Abend ihres Kennenlernens in sein Zimmer verschwanden und miteinander schliefen. Als sie sich am nächsten Tag verstohlen trennten. Silke sich raus schlich aus dem Zimmer und sich ein bisschen ordinär fühlte, hemmungslos. Und feststellte, dass sie diese Seite an sich mochte. Und Tom in seinem Zimmer zufrieden weiter schlief und erkannte, dass er Deutschland mochte. Und die Deutschen.
Silke und Tom sahen sich eine Woche später wieder in der Bar. Und unterhielten sich. Und Silke erkannte, dass Tom ein guter Kerl war, wie man sagte. Und Tom erkannte, dass Silke sein Typ war. Da verabredeten sie sich und gingen raus, auf einen Spaziergang und setzten sich in den Park ins Gras und redeten und erkannten, dass sie sich mochten.
Sie erzähten sich viel, Silke und Tom. Tom erzählte Silke von Chicago, der Stadt, in der er geboren wurde, in der er studierte und wohin er in fünf Monaten zurückkehren würde. Und Silke erzählte Tom von ihrer Mutter, von ihrem Kater und dem 3.000 Seelendorf, aus dem sie kam und in dem sie nie wieder leben wollte.
Ein Treffen folgte auf das nächste und eines Tages, zwei Monate waren nun um, da entschieden Silke und Tom, sie wären ein Paar, von nun an. Und Silke war glücklich und lehnte sich an Tom. Und Tom umarmte Silke und fühlte sich frei.
„Tom?“
„Ja?“
„Liebst du mich?“
„Yes, darling, I love you.“
Tom fuhr mit Silke nach 3.000 Seelendorf und war begeistert. Und sie war begeistert, dass er begeistert war. Ihre Mutter war begeistert, dass beide begeistert waren. Das ganze Dorf war überrascht und aufgeregt, ein Amerikaner und eine von uns, das war ungewöhnlich. Die Silke war ja immer schon eine gewesen, die raus wollte in die Welt.
Deswegen studierte sie. Sie hatte ihren eigenen Kopf. Einen Kopf, der Tom gefiel.
Sie fuhren zurück nach Leipzig. Tom spürte es, und trotzdem fragte er:
„Do you love me?“
„Ja, ich liebe dich!“
Und während sie es genossen zu wissen, dass sie sich liebten – denn das taten sie – vergingen die Monate, einer nach dem anderen. Und da sie sich liebten und die Zeit gern miteinander verbrachten, vergingen die Monate schnell.
„Wer sagt, dass du zurück musst?“
Tom wollte etwas sagen, doch was, das wusste er nicht.
„Bleib“, sagte sie, während sie mit ihm zum Flughafen fuhr.
Er stieg in das Flugzeug, Airbus A310, seit drei Monaten in Betrieb. Das wusste er, der Ingenieur. Silke interessierte sich nicht für den Flugzeugtypen, sondern für den Einen, der gleich auf 8A Platz nehmen würde. Sie schaute zu, wie das Flugzeug abhob und er sich von ihr entfernte.
„Bye“, flüsterte sie.
Wie geht es weiter mit Silke und Tom?
Hier geht es zu Teil 2.
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