von Carmen, Lesezeit ungf. 2 Minuten
Christian hatte einen Plan, als er mich heute zum Mittagessen abholte, das sah ich ihm an, als ich ihm die Tür öffnete. Fünfmal hatte er geklingelt, in schneller Folge. Die Vorfreude strahlte förmlich aus ihm heraus. Ganz traditionell hielt er mir einen bunten Tulpenstrauß entgegen. Lächelnd begrüßte ich ihn mit einem Kuss, nahm die Blumen entgegen und hielt die Luft an, während ich sie – weit von mir gestreckt – schnell auf den Balkon brachte. Ich nahm mir vor, das Thema während des Mittagessens kurz anzusprechen. Ich griff nach meiner Tasche und ließ mich von Christian zum Wagen führen. Auf die Jacke verzichtete ich, bei diesen frühlingshaften Temperaturen würde ich sie nicht benötigen.
Christian hatte mir bei unserem letzten Treffen erzählt, dass er einen sehr romantischen Ort kenne, den er mir unbedingt – UNBEDINGT – zeigen müsse. Vielleicht das sich drehende Restaurant oben im Fernsehturm? Die Rooftop-Bar im Zentrum, von wo aus man einen wundervollen Blick auf die Kirchtürme hatte und die Berge im Hintergrund sah? Ich war gespannt.
Christian war der Squash-Partner eines Arbeitskollegen, das erste Mal begegnete ich ihm vor zwei Wochen bei einem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine. Es hatte sofort gefunkt, wir haben die Nummern getauscht und uns seitdem zweimal getroffen. Ich hatte ein gutes Gefühl, was ihn betraf. Er schien ein kreativer Mann zu sein und ich LIEBE Überraschungen. Ein weiteres Detail, das mir gut gefiel. Meine Vorfreude darauf, zu erfahren, was er für uns plante, war wohl ebenso groß, wie seine Vorfreude auf meine Reaktion.
Nach kurzer Fahrt bogen wir auf einen Parkplatz ab, er stieg aus und öffnete mir die Tür. So langsam schwante mir, wo wir waren. Direkt vor uns war der Eingang zum botanischen Garten. Er wollte doch nicht etwa…? Noch hatte ich Hoffnung. Der Garten war eher klein und hatte keinerlei Möglichkeiten, sich etwas zu essen zu besorgen. Zudem war er sowieso noch geschlossen – die Saison startete erst in einer Woche. Vielleicht war es nur ein kurzer Zwischenstopp? Verwirrt blickte ich ihn an, während er vielsagend den Kofferraum öffnete und einen großen Strohkorb entnahm. Eine Flasche Wein konnte ich von meinem Standort aus erkennen. Ich bekam große Augen, Panik stieg in mir auf.
„Um diese Jahreszeit gibt es hier die schönste Blumenwiese, die du dir vorstellen kannst. Alle möglichen Pflanzen blühen gerade. Mein Nachbar ist hier der Landschaftsarchitekt.“ Und die nächsten Worte sang er sogar triumphierend, während er ein kreditkartengroßes Plastikteil aus seiner Hosentasche hervorholte: „Er gab mir den Schlüssel.“ Er sah mir in die Augen: „Was hältst du von einem Picknick?“
„NICHTS!“, dachte ich, „rein gar nichts halte ich davon.“ Was sollte ich ihm jetzt sagen? Dass ich richtig panisch war? Etwas in meinem Kopf setzte aus. Ich starrte Christian fassungslos an. Mein Date deutete meine Wortlosigkeit als Überwältigung, nahm meinen Arm und führte mich zur Wiese.
Er hatte recht: es war die schönste Wiese, die ich jemals gesehen hatte. Alle möglichen Blumen blühten in den wildesten Farben. Käfer, Schmetterlinge, Hummeln und Bienen stürzten sich ins Getümmel ohne sich von uns gestört zu fühlen. Das pure, saftige Ballett des Lebens tanzte vor unseren Augen. Und dazu passend: Pollen!
Langsam aber sicher sah ich nichts mehr, meine Nase war komplett zu, die Augen tränten. Mein Gesicht und mein Hals schwollen an, ich fühlte, wie sich meine Wangen erhitzten. Der Atem ging nur noch singend ein und aus.
Endlich drehte sich Christian zu mir um, um zu sehen, was ich von seiner Überraschung hielt.
„Bitte“, flüsterte ich, „kannst du mich ins Krankenhaus fahren?“
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