
Die kleine Kolumne über die Tücken des (Roman)-Schreibens
von Jana, Lesezeit < 10 Minuten
Kapitel 2: Spannungsbogen
Es diskutieren die Autorin (A) und zwei ihrer Romanfiguren: Eleonore (E) und Damian (D), Eltern der Hauptfigur Jule. Die beiden haben sich scheiden lassen, als Jule fünf war (mittlerweile ist sie Mitte zwanzig).
A: Kapitel 2, Überarbeitung Nr. 57, zumindest gefühlt.
E: Oh, bitte, lass es!
A: Wie bitte, wieso?
E: Weil es nicht besser werden wird. Es sei denn, du hast endlich gemerkt, woran es liegt.
D: Woran was liegt?
E: Unsere Klappertastenfrau überarbeitet zum wiederholten Mal Kapitel 2, was gut ist, denn es funktioniert nicht – was sie auch merkt, aber sie merkt nicht, WARUM es nicht funktioniert.
A: Und du weißt das natürlich?!
E: Ja, ich spiele nämlich das ganze Kapitel lang mit und es ist LANGWEILIG.
D: Ich dachte, in Kapitel 2 tötest du mit Sandy fünf Flaschen Champagner? Klingt für mich nicht sehr langweilig… oder hast du verlernt, zu feiern?
E: Sehr witzig! Nein, das bekommen wir sehr gut hin. Allerdings passiert das 1. Im Hintergrund und ist 2. Eine Party eine statische Sache, wenn es 3. Um die Figur geht, die gar nicht mit feiert, nämlich Jule!
D: Das erscheint mir tatsächlich logisch.
A: Ja, du hast Recht, verdammt…
E: Also, was hast du nun vor in Kapitel 2? Noch weitere wenig zielführende innere Monologe über das Verhältnis meiner Tochter zu mir?
A: Ähm… also… ich verweigere die Aussage.
E: Dachte ich mir doch: Lass es!
A: Ja, soweit war ich jetzt auch schon. Aber wie wäre es mit was Konstruktivem?
D: Genau, El, wenn du schon weißt, was nicht funktioniert, was würde denn funktionieren?
E: Für mich? Oh, ein attraktiver Pizzabote!
A/D: Nein!
D: Ging es nicht außerdem um Jule?
E: Für die wäre der auch nicht schlecht!
D: Meine Tochter datet keinen Pizzaboten!
E: Warum nicht? Hast du ein Problem mit Pizzab…?
A: Entschuldigung, können wir bitte zurück zum Thema?! Das Kapitel funktioniert nicht!
E: Das Kapitel ist eigentlich prima, der Spannungsbogen funktioniert nicht!
A: Okay…? Nein, ich kapier es nicht.
E: In Kapitel 1 steht Jule vor Herausforderungen, im zweiten kommt sie nach Hause und bricht zusammen. Entweder du machst das sehr kurz oder sie muss noch irgendetwas überwinden oder erreichen bevor sie zusammenbricht. Da muss noch irgendeine Stufe rein, etwas… keine Ahnung! Du bist doch die Autorin, denk dir was aus! Etwas beschäftigt sie im Kopf und als sie endlich die Lösung hat, fällt ihr auf, dass das jetzt der Triggerpunkt war und bumm!
D: Ich finde es irgendwie befremdlich, wie sachlich du über die Inszenierung des Nervenzusammenbruchs unserer Tochter reden kannst.
E: Oh, komm du mir nicht mit Vorwürfen! Du bist schließlich an allem schuld!
D: Moment mal, ich?!
E: Ja, du…
A: Verzeihung?! Stopp! Anderes Thema. Figurenentwicklung kommt noch.
E/D: …
A: Also, ich denke, ich weiß jetzt, was ich ändern muss. Danke!
E: Na, hoffentlich! Auf noch so eine zähe Überarbeitung habe ich nämlich keine Lust.
D: Vielleicht lässt sie dich ja doch in Kapitel 3 sterben, dann hast du bald deine Ruhe…
E: WTF!!!
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