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von Carmen 

Dieser Text entstand während des Schreibkurses „Schreib es auf“ im Rahmen der digitalen „Theater Pur“-Veranstaltung der Jugendbildungsstätte Waldmünchen. 
Die Vorgaben:
20 Minuten schreiben
Ein (grüner) Luftballon
überlegen, aus welcher Perspektive wir den Text angehen

Jana und Carmen haben sich im Anschluss an die Übung überlegt, was passiert, wenn sie die beiden, nicht miteinander abgesprochenen Texte, zusammen in ein Erzähl-Universum packen. Herausgekommen ist die folgende Fortsetzungsgeschichte.  Carmens Text macht den Anfang.
Janas Text folgt Donnerstag, 02.12.2021.


Ich bewache den Schlund.
Das Universum ist unruhig heute, durch den Schlund dringen viele Geräusche. Ich höre die große Glocke. Unbekannte Riesen betreten das Universum, sie diskutieren untereinander.
„Beeil dich, Max, der Testlauf beginnt in zwanzig Minuten!“, höre ich eine relativ helle Stimme.
„Wie kann ich helfen?“ Diese Stimme kenne ich, das ist unser Riese. Ihn kann man viel öfter hören, als alle anderen zusammen.

Ich blende das Gespräch aus. Das ist es nicht, das mir Sorgen bereitet, sondern es ist der Schlund selbst. Obwohl wir ihn so fest verschlossen halten, wie nur möglich, schluckt er in letzter Zeit mehr und mehr Luft, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen können.
Seien wir ehrlich, unsere Welt stirbt.

Die Wachposten an den Spiegelflächen berichten Ähnliches. Die Spiegel sind Orte, an der die Wand zum Universum am dünnsten ist. Einst waren sie so glatt und klar, dass wir von dort das ganze weite Universum beobachten konnten: wie es an uns vorbeischwebte, wie sich die anderen Welten um uns drehten. Was für wundersame, unerklärliche Wunder wir beobachten durften.

Einmal habe ich sogar gesehen, wie eine neue Welt entstand: unser Riese – größer und mächtiger, als alle anderen Riesen – nahm von seinem Atem und schenkte ihn dieser neuen Welt. Sie wuchs und wuchs. Fasziniert hingen wir an unseren Spiegeln und beobachteten dieses unfassbare Ereignis. Als unser Riese fertig war, schloss er den Schlund, damit der geschenkte Atem nicht entweichen konnte.
Es war magisch.

Aber meist sehen wir nur, wie die Welten zu Ende gehen. Manche plötzlich mit einem großen Knall, manche siechen einfach vor sich hin, bis sie vergessen sind. So wie wir.

Nach und nach haben sich die Spiegel zusammengezogen, sind schrumpelig geworden und stumpf. Wir sind erblindet, als hätten wir das Recht verloren, die Wunder des Universums zu sehen. Ich weiß, dass es neben uns noch unendlich viele weitere Welten gibt, doch sehen können wir sie schon lange nicht mehr. Schuld ist der Schlund und sein Hunger nach Luft. Er saugt sie aus unser Welt, als würde sie ihm gehören und wir können rein gar nichts dagegen unternehmen.

Die Alten sagen, dass wir nichts tun können – so ist der Lauf der Welt. Der Riese hat es so gemacht, dass die Spiegel uns zeigen, dass unser Weg vorgezeichnet ist. Es ist wichtig, sagen die Alten, dass wir verstehen, was mit uns passiert. Das lehrt uns Demut.

Demut! Ernsthaft?
Was hab ich davon? Ich habe gesehen, wie eine Welt entsteht: ich will keine Demut, ich will neuen Atem.
So etwas gab es noch nie, sagen die Alten, ich würde mich verrennen.
Ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren. Wir brauchen neuen Atem.

Die Riesen diskutieren immer noch. Sie sprechen über Ballons – das ist ihr Wort für Welten. Unser Riese scheint aufgebracht:

„Verarschen können Sie sich selbst! Wie meinen Sie das, unzerstörbare Ballons?“
„Wir arbeiten an einem Polymer, durch das Ballons wie diese für immer die Form behalten. Wir brauchen … sagen wir mal zwei Dutzend Ballons für unsere Experimente. In zwanzig Minuten beginnt unsere Kick-Off Party im Park. Drücken Sie uns die Daumen.“
Unser Riese scheint nachzugeben: „Na, wenn Sie meinen…“

Ich horche auf. „Für immer die Form behalten“? Das klingt doch, wie „für immer existieren“, oder etwa nicht?
Ist die Luft schon so dünn geworden, dass ich anfange zu halluzinieren?
Wir mussten da hin, unbedingt. Unsere einzige Chance.

Ohne nachzudenken oder die Alten um Erlaubnis zu bitten, öffne ich den Schlund wieder. Mit einem Quietschen entweicht die wertvolle Luft und schiebt unsere Welt an den anderen vorbei, direkt in die Hände unseres Riesen, der uns an den Unbekannten weiterreicht.

 


Wollt ihr wissen, wie die Geschichte weitergeht?
Wollt ihr wissen, wie Jana die Vorgaben interpretierte?
Fortsetzung findet ihr hier.

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